Die besten Active Sourcing Tipps vom Profi: Interview mit Michaela Moser

Alexandra Rupacher
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24. September 2020 Lesezeit 11 Minuten
Sie ist nicht nur Head of Sourcing bei epunkt, sondern auch Active Sourcerin des Jahres 2019: Michaela Moser. Wer könnte besser erklären, worauf es beim Active Sourcing ankommt? Eben! Wir haben Michaela zum ausführlichen Interview gebeten.

Inhalt

    Active Sourcing ist ein absolutes Trendthema im Recruiting. Doch während die meisten sich erst an das Thema herantasten, ist sie bereits Expertin zum Thema: Michael Moser, Head of Sourcing bei epunkt. Sie hat das Sourcing Team im Unternehmen aufgebaut und in den letzten Jahren enorm viel Erfahrung auf allen wichtige Plattformen gesammelt.

    Als Michaela auch noch zur Active Sourcerin 2019 gewählt wurde, war uns klar: Wir müssen reden! Netterweise hat uns die sympathische Österreicherin geduldig all unsere Fragen beantwortet. Wertvolle Insights, die wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten wollen – denn Sie finden darin viele konkrete Tipps für Ihren Erfolg im Active Sourcing. Los geht’s!

    Michaela Moser, Head of Sourcing bei epunkt und Active Sourcerin des Jahres 2019 / © Nina Danninger

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    Eine gute Active Sourcing Strategie entwickeln

    eRecruiter: Du bist im vergangenen Jahr als Active Sourcer des Jahres ausgezeichnet worden – gratuliere! Klingt als würde dir dein Job Spaß machen?

    Michaela Moser: Es war wirklich spannend, sich mit der Aufgabenstellung für den Active Sourcing Award auseinanderzusetzen. Man erhält eine fiktive Aufgabe und muss dazu seine Sourcing Strategie darlegen. Das hat Spaß gemacht, weil ich im alltäglichen Doing ja nicht mehr operativ tätig bin. Ich leite die Abteilung für Active Sourcing bei epunkt und bin damit ausreichend beschäftigt.

    Ich persönlich finde, Sourcing ist eine hochinteressante Aufgabe. Es sind ganz unterschiedliche Kompetenzen gefragt: Einerseits stehen wir vor der Herausforderung, quasi die Nadel im Heuhaufen zu finden. Wir haben es mit einer unglaublichen Menge von Daten zu tun. Da braucht man analytische und technische Fähigkeiten. Man muss sich richtig organisieren und Prozesse sinnvoll strukturieren können.

    Gleichzeitig ist auch Kreativität gefragt, um innovative Strategien für die Kandidatensuche zu entwickeln. Und wenn es darum geht, die passende individuelle Ansprache zu formulieren, braucht man soziale Kompetenz und Empathie.

    Eure Strategie – hast du die selbst entwickelt? Den einen Weg fürs Active Sourcing scheint es ja noch nicht zu geben oder?

    Nein, den gibt es nicht. Wir haben es auch immer etwas anders gemacht als viele andere Unternehmen. Als ich vor drei Jahren den Auftrag erhalten habe, die Abteilung zu gründen, haben wir zunächst abgewogen, uns nach Fachbereichen oder Standorten zu strukturieren. Ich habe mich für eine dritte Lösung entschieden: Uns nach Plattformen zu organisieren. Also haben wir ein LinkedIn-Team, ein Xing-Team, ein Facebook-Team usw. geformt – und sehr fokussiert Know-how aufgebaut: Was funktioniert wo? Welche Suchkriterien kann ich anwenden, welche nicht?

    Aktuell strukturieren wir uns wieder neu, weil wir eine große Reife auf unterschiedlichen Plattformen erreicht haben. Zudem fokussieren wir uns deutlich mehr auf Talentpooling, als auf einzelne Spezialsuchen. Das macht im täglichen Doing und in den Prozessabläufen einen riesigen Unterschied.

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    Individuelle Kandidatenansprache ist Pflicht

    Lass uns noch einmal auf die wichtigsten Skills fürs Active Sourcing zurückkommen. Wenn ich dich richtig verstanden habe braucht man sehr viele unterschiedliche Fähigkeiten. Einerseits Neugierde, Kreativität – aber dann eben auch analytische Fähigkeiten. Man muss mit den entsprechenden Tools und Plattformen umgehen können…

    …ja genau! Ich suche für mein Team Menschen, die beides in sich tragen. Die kein Problem damit haben, 500 Profile am Tag zu screenen. Aber auch die nötige Kreativität und Empathie mitbringen, um eine individuelle Ansprache zu entwickeln.

    Wir haben als Team eine Responserate von 53 % – über alle Plattformen hinweg. Das ist im Marktvergleich extrem hoch. Und das liegt daran, dass wir die Kandidaten so individuell ansprechen. Dafür braucht es soziales Gespür – für Menschen, die man nicht kennt. Man muss eine Motivation vorweg erahnen können.

    Den einen erreiche ich vielleicht, indem ich ihm sage: „Hey, dein jetziger Dienstort ist ja ganz schön weit weg von deinem Wohnort. Ich hätte da ein Angebot für dich, das viel näher liegt.“ Ein anderer fragt dann nur: „Ist das eine Herausforderung für mich?“ Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wem was wichtig ist. Und ich bin ehrlich: Manchmal müssen wir auch einfach raten.

    Ob jemand überhaupt wechselbereit sein könnte?

    Ja genau. Gerade bei den latent suchenden oder passiven Kandidaten kann man nicht nur sagen: „Du hast jetzt einen Job, der ist türkis. Hier habe ich das Gleiche in Grün für dich.“ Man muss die Vorteile deutlich machen. Und sich schon im Vorfeld intensiv mit dem Profil auseinandersetzen.

    Wir merken, dass wir ins Schwarze getroffen haben, wenn wir Mails erhalten, in denen steht: „Normalerweise schreibe ich nie einem Recruiter zurück – aber das hat mich echt angesprochen.“ Oder: „Danke, du bist drangeblieben. Das taugt mir, lass uns reden.“

     
    „Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, was wem wichtig ist.“
    Michaela Moser Head of Sourcing epunkt

    Wie viel Zeit investiert ihr in einzelne Personen? Ich nehme an, ihr schaut euch die Profile auf verschiedenen Plattformen an… Das scheint sehr zeitintensiv zu sein!

    Es ist extrem zeitintensiv und auch total spannend. Wir setzen hier absolut auf Qualität – und das kostet Zeit. Aber es hat sich für uns bewährt: Wir haben 2019 ca. 500 Sourcing-Besetzungen bei epunkt initiiert.

    Wenn ich anderen erzähle, wie viele Ansprachen meine Mitarbeiter pro Woche formulieren, wie viele Telefonate sie führen, dann fragen die oft: Was macht ihr denn die restlichen 80 % eurer Zeit? Aber wenn jemand fünf gute Telefonate in der Woche führt, dann ist das ganz wunderbar. Bei manchen sind es zehn, bei anderen drei. Es geht nicht um Menge. Für mich ist die Conversion – etwa von Mails zu Telefonaten – wichtig. Massenaussendungen halte ich nicht für sinnvoll.

    So viele Plattformen, unzählige Kandidaten – wo fängt man an? Erst einmal beim eigenen Talent Pool.

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    Die wichtigsten Kanäle fürs Active Sourcing

    Welche Plattformen sind denn für euch wichtig?

    Für uns war von Anfang an sehr wichtig, zuerst einmal mit dem eigenen ATS – in unserem Fall von eRecruiter – bestmöglich zu arbeiten. Das ist immer noch unser Credo: Die Kontakte in unserem Talent Pool müssen wir gut organisiert haben. Mit den Menschen in Kontakt bleiben. Nicht übersehen, wenn jemand seine Daten aktualisiert. In unserem Recruiting Tool haben wir bereits eine Historie zu jedem Kandidaten und alle Daten parat. Erst dann kommen Businessnetzwerke.

    Ich mache ja auch Coachings und da höre ich alle möglichen Dinge: „Wir sourcen bei Airbnb oder schauen uns Reviews auf Amazon an.“ Aber wie viele Besetzungen bringt das? Und wie viel Zeit kostet es? Meine Meinung ist: Lieber erst einmal auf den eigenen Talent Pool setzen.

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    Außerdem sollte man sich vor der Entwicklung einer Strategie fragen, warum man als Unternehmen eigentlich Active Sourcing einsetzen möchte. Manche folgen einfach dem Trend. Aber es macht einen Riesenunterschied, ob ich z. B. laufend Supportmitarbeiter suche – und mich daher eher auf die Menge fokussiere oder, ob es um Fachexperten in einer bestimmten Nische geht, die ich zweimal im Jahr suche.

     
    „Lieber erst einmal auf den eigenen Talent Pool setzen“
    Michaela Moser Active Sourcerin des Jahres 2019

    Spielt Offlinesuche noch eine Rolle für euch?

    Ja, wir machen tatsächlich immer noch viel offline. Bei Karrieremessen, in Kooperation mit Ausbildungsstätten, bei Bewerbungstrainings in Schulen usw. Ab und zu passiert es auch, dass sich etwas im privaten Umfeld ergibt. Das ist nicht systematisiert – klar. Aber man erzählt auch mal auf einer Party, dass man Recruiter ist. Und irgendwann melden sich Leute wieder, weil sie auf Jobsuche sind. Das kommt öfter vor, als man glaubt.

    Das persönliche Gespräch auf Augenhöhe ist unverzichtbar. Erfolgreich ist, wer echtes Interesse zeigt.

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    Erfolgreich Kandidaten überzeugen

    Wie geht ihr vor, um Kandidaten richtig einzuschätzen. Ist das nur Erfahrung und Bauchgefühl, die euch sagen, wo ihr einhaken könnt und ob jemand passt? Wie geht ihr da vor?

    Wir nutzen dafür nach wie vor keine Künstliche Intelligenz – auch wenn es solche Tools bereits gibt. Wir setzen hier vor allem auf das persönliche Gespräch, denn eine Einschätzung auf Basis von schriftlichen Unterlagen ist schwierig. Im Gespräch geht es dann darum, gute Fragen zu stellen und wirklich zuzuhören. Interesse zu zeigen und dem Kandidaten nicht das Gefühl zu geben, dass man nur ein Häkchen hinter seinen Namen machen möchte. Nur dann sind Menschen auch wirklich ganz offen.

    Uns ist auch wichtig, dass der Kandidat das Gefühl hat, dass wir auf Augenhöhe mit ihm sprechen – also z. B., dass wir bestimmte Technologien kennen und auch gescheite Rückfragen stellen.

    Welche Rolle spielen Follow-ups?

    Wir haben Follow-up-Strategien, die wir über alle Kandidaten hinweg anwenden. Bei der Mehrheit kommt das gut an. Viele rechnen gar nicht damit, dass man dranbleibt und schreiben dann nach dem zweiten Follow-up auch wirklich zurück.

     
    „Im Gespräch geht es dann darum, gute Fragen zu stellen und wirklich zuzuhören.“
    Michaela Moser Head of Sourcing epunkt

    Die meisten von uns erhalten ja mittlerweile so viele Nachrichten. Kannst du noch mehr dazu sagen, wie ihr etwa vermittelt, dass ihr euch wirklich mit einem Profil auseinandergesetzt habt? Dass ihr es ernst meint?

    Das beginnt bereits bei der Ansprache. „Sehr geehrte Damen und Herren“ – das ist sehr unpersönlich. Wir sprechen Kandidaten immer mit dem Namen an. Fürchterlich finde ich inzwischen auch diesen vielverwendeten Satz: „Ich bin zufälligerweise über dein Profil gestolpert“. Sage ich damit, dass ich gar nicht weiß, was ich tue? (lacht) Ich sollte dem Kandidaten das Gegenteil vermitteln – nämlich, dass ich intensiv gesucht und ihn als idealen Kandidaten identifiziert habe.

    Wichtig ist auch ein Betreff, der unter den vielen Nachrichten, die man erhält, hervorsticht. Wenn es gelingt, Neugier zu wecken, dann ist man einen wichtigen Schritt weiter. Dabei geht es wieder um die individuelle Motivation. Jene Argumente, die wir uns schon im Vorfeld – nach unserer genauen Recherche – überlegt haben. Der richtige Aufhänger kann ganz unterschiedlich aussehen.

    Am wichtigsten finde ich, dass man ehrliches Interesse signalisiert – und nicht nur das eigene Unternehmen anpreist. Nicht immer nur „Wir“ und „Ich“ zu sagen – sondern viel öfter „Du“.

    Ihr macht das ja nun schon eine Weile: Hast du das Gefühl, dass sich die Bedürfnisse und Ansprüche der Kandidaten verändert haben?

    Das kann man nicht verallgemeinern. Ich habe zuerst im IT Recruiting gearbeitet – da hat man sich schon vor Jahren aussuchen können, wo man arbeitet und entsprechend Ansprüche gestellt. Was man schon merkt ist, dass Gehalt zwar ein zentrales Thema ist – aber lange nicht mehr das einzige. Und, dass Arbeitnehmer nicht bleiben, wenn ein Unternehmen im Recruitingprozess etwas verspricht, was es dann nicht halten kann. Dann sind qualifizierte Mitarbeiter ganz schnell wieder weg.

    Auch wenn neue Technologien unterstützen: Der menschliche Faktor bleibt unersetzlich.

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    Das Active Sourcing Mindset

    Glaubst du denn, das man als Recruiter einfach Active Sourcing mitmachen kann? Braucht es dafür denn nicht ein anderes Mindset?

    Ich glaube schon, dass die Active Sourcing-Rolle integrierbar ist. Aber ich bin auch überzeugt, dass wir deshalb so erfolgreich sind, weil wir uns eben zu 100 % auf den Kandidaten fokussieren können. Wir möchten ihn nicht von einem bestimmten Job überzeugen, sondern können ihn fragen, was er eigentlich machen möchte. Das Matching überlassen wir bei epunkt dann dem Recruiter. Aber das geht nur, wenn man eine Fülle an Jobs zu besetzen hat – wie es bei uns der Fall ist.

    Im Austausch mit Kollegen, die man auf Konferenzen oder bei anderen Gelegenheiten trifft, stelle ich fest, dass viele im HR-Bereich noch Aufholbedarf haben, was das Mindset angeht. Bei einigen ist noch nicht angekommen, dass Post and Pray nicht mehr funktioniert und der Markt inzwischen in ganz vielen Bereichen eng ist – nicht nur bei der IT.

    Viele tun sich immer noch sehr schwer mit dem Gedanken, jemanden aktiv anzuschreiben. Da höre ich dann „Wir sind ja keine Bittsteller!“ oder „Ich will niemanden belästigen.“ Aber diese Vorbehalte gilt es in Zukunft zu überwinden. Wer erfolgreich Kandidaten gewinnen will, muss seine Komfortzone ein wenig erweitern und Dinge ausprobieren. Das Patentrezept gibt es nicht.

     
    „Wer erfolgreich Kandidaten gewinnen will, muss seine Komfortzone ein wenig erweitern und Dinge ausprobieren.“
    Michael Moser Active Sourcing Profi

    Wenn du nach vorne schaust: Denkst du, dass sich Active Sourcing durch neue Technologien noch einmal massiv verändern wird? Hast du Angst, dass deinen Job bald eine KI macht?

    Nein, überhaupt nicht. Ich hoffe, dass uns viele Vorarbeiten und Routinetätigkeiten im Active Sourcing in Zukunft abgenommen werden. Da gibt es bereits spannende Tools. Wir sehen uns viel an – aber die Datenqualität stimmt oft noch nicht. Außerdem weiß ich häufig nicht, wie genau ein Programm sucht. Aber beim Thema Veränderungsbereitschaft zum Beispiel werden die Ergebnisse immer akkurater.

    Gleichzeitig glaube ich, dass der menschliche Faktor nie verlorengehen wird in unserer Branche.

    Vielen Dank für das Interview!

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