Arbeitszeugnis: Das sollten Recruiter beachten

Reginald Zenta
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14. September 2020 Lesezeit 6 Minuten
Arbeitszeugnisse formulieren, aber auch richtig lesen können: Im Idealfall beherrschen Personaler beides. Was sind die Standards und versteckten Codes im Arbeitszeugnis? Worauf sollten HR Manager achten und inwieweit kann das korrekte Entschlüsseln von Dienstzeugnissen bei der Besetzung von Jobpositionen helfen? Wir sagen es Ihnen!

Inhalt

    Wenn Mitarbeiter* ein Unternehmen verlassen, haben sie das Recht auf ein schriftlich verfasstes Arbeitszeugnis, sowohl in Österreich wie auch in Deutschland. Dabei gibt es einige Grundsätze, an die sich Arbeitgeber zu halten haben. Das Arbeits- oder Dienstzeugnis muss der Wahrheit entsprechen und darf ausschließlich positiv formuliert sein. Es handelt sich um eine subjektive Beurteilung ohne offene Kritik. Genau darin liegt die Tücke – sowohl für den Arbeitnehmer wie auch für Recruiter, die das Arbeitszeugnis lesen. 

    Die Bewerberin wurde in höchsten Tönen gelobt? Das ist nicht zwingend ein gutes Zeichen. Vor allem übertriebenes Lob wird schnell als unglaubwürdig entlarvt. Recruiter kennen die vermeintlich positiven Formulierungen und ihre wahren Bedeutungen. Genau das möchten Sie auch? Dann lesen Sie weiter!

    Dienstzeugnisse sind voller Formulierungen, die Recruiter richtig lesen können sollten.

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    Was muss rein ins Arbeitszeugnis? Was ist optional?

    Ganz wichtig: Falls Sie jemals ein Dienstzeugnis schreiben, passen Sie dieses unbedingt an die jeweilige Person an. Ein Standarddokument, das für alle ausgeschiedenen Arbeitnehmer ident ist, geht gar nicht. Alle relevanten Angaben wie persönliche Daten oder der Beschäftigungszeitraum sollten die individuell konkreten Daten sein. 

    Sie suchen trotzdem nach einer Arbeitszeugnis-Vorlage? Wie wäre es mit einem Vorschlag für die Gliederung? Wie ausführlich die einzelnen Punkte behandelt werden, bleibt natürlich jeder Verfasserin selbst überlassen. 

    In jedes Arbeitszeugnis gehört: 

    • Arbeitszeugnis in der Überschrift
    • vollständige personenbezogene Daten
    • detaillierte Beschreibung der Aufgaben und Tätigkeiten
    • Datum, Unterschrift und evtl. Firmenstempel

    Optionale Bestandteile sind:

    • für ein qualifiziertes Arbeitszeugnis: persönliche Leistungs- und Verhaltensbeurteilung
    • Kündigungsgrund, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich damit einverstanden ist
    • Schlussformel, in der zum Beispiel das Bedauern über den Austritt zum Ausdruck gebracht wird
    Idealerweise wird vor der Erstellung des Arbeitszeugnisses kurz geklärt, was darin erwähnt werden soll – und was eher nicht.

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    Arbeitszeugnisse formulieren: Auf den Typ kommt es an

    Arbeitszeugnis ist nicht gleich Arbeitszeugnis. Es wird zwischen drei verschiedenen Arten unterschieden:

    Einfaches Arbeitszeugnis

    Tätigkeiten und Aufgaben werden detailliert dokumentiert. Es handelt sich sozusagen um die objektiv überprüfbaren Daten und Fakten der Zusammenarbeit. Das einfache Arbeitszeugnis ist frei von qualitativen Merkmalen.

    Qualifiziertes Arbeitszeugnis

    Neben den Inhalten des einfachen Arbeitszeugnisses enthält ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auch subjektive Bewertungen der Leistungen und des Verhaltens des Arbeitnehmers. Es findet also zusätzlich eine Beurteilung der Person statt.

    Zwischenzeugnis

    Es gab einen Wechsel in der Führungsebene? Das Unternehmen hat einen neuen Inhaber? Das Arbeitsverhältnis besteht bereits über Jahrzehnte? In all diesen Fällen kann es sein, dass ein Zwischenzeugnis ausgestellt wird. Ob einfach oder qualifiziert hängt in der Regel vom Grund der Ausstellung ab und ist letztlich Verhandlungssache.

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    Worauf achten Recruiter in Arbeitszeugnissen?

    Worauf schauen nun insbesondere Recruiter & HR Manager, wenn sie ein Arbeitszeugnis in die Hand bekommen? Folgende fünf Punkte werden geprüft und fließen damit in die Beurteilung des Kandidaten ein: 

    1. Formalkriterien: Wurde das Arbeitszeugnis auf Firmenpapier gedruckt? Enthält es die vollständige Unternehmensanschrift und die Unterschrift des letzten Chefs? Lassen sich Rechtschreib- oder Stilfehler finden? Gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen dem Beschäftigungsende laut Lebenslauf und dem Ausstellungsdatum des Arbeitszeugnisses? Gewisse Aspekte machen misstrauisch und können sich negativ auf die Bewertung auswirken. 
    2. Tätigkeit und Erfahrung: Ob die Kandidatin den Anforderungen einer bestimmten Arbeitsstelle entspricht, kann am besten über die bisherigen Tätigkeiten herausgefunden werden. Dabei sind die zuerst im Zeugnis genannten Aufgaben meist die relevantesten. Mit welchen Aufgaben hat sich der Bewerber wie lange beschäftigt? Deckt sich das mit dem erwarteten Erfahrungslevel? Gibt es spezielle Kenntnisse, welche für die Tätigkeit im Rahmen der offenen Stelle von Vorteil sind? Fragen wie diese gilt es zu beantworten. Klar im Vorteil ist, wer bereits im Vorfeld eine Candidate Persona erstellt hat.  
    3. Codes der Arbeitszeugnissprache: Personaler wissen, dass Arbeitszeugnisse häufig mit versteckten Codes gespickt sind. Das Verhältnis zur Vorgesetzten wird nicht thematisiert, Nebensächliches wird erwähnt oder doppelt verneint? Auch Wörter wie „bemüht“ oder aneinandergereihte Superlative lassen die Alarmglocken klingeln und deuten auf ein sogenanntes Gefälligkeitszeugnis hin. 
    4. Diskrepanzen zum Lebenslauf: Stimmen die Beschäftigungszeiträume und Tätigkeitsfelder, die im Lebenslauf angegeben sind, mit denen im Arbeitszeugnis nicht überein? Warum drückt der ehemalige Chef kein Bedauern aus, wenn es sich doch um eine Eigenkündigung handelt? Derartige Widersprüche in den Unterlagen machen skeptisch. 
    5. Vergleich mehrerer Arbeitszeugnisse: Es ist üblich, dass Bewerber ihre drei letzten Arbeitszeugnisse mitschicken, wobei Recruiter auch die Entwicklung im Zeitverlauf berücksichtigen. Gibt es deutliche Unterschiede in den Bewertungen? Ist mehrmals zu lesen, dass sich die Kandidatin nur bemüht hat? Es bringt nichts, mit einem Arbeitszeugnis zu glänzen, wenn im Vergleich mit anderen Beurteilungen Ungereimtheiten bestehen. 

    Gut zu wissen: Bei einer kurzen Anstellungszeit beläuft sich der Umfang des Arbeitszeugnisses in der Regel auf eine Seite. Bei langfristigen Anstellungen oder komplexen Aufgaben können Arbeitszeugnisse auch zwei Seiten umfassen. Alles darüber hinaus wirkt schnell aufgeblasen.

    Eher unmovitiert oder schwierig im Umgang? Auch das lässt sich – zwischen den Zeilen – aus einem Arbeitszeugnis herauslesen.

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    Codes und Noten im Arbeitszeugnis

    Häufig werden in qualifizierten Arbeitszeugnissen mehr Informationen über den ehemaligen Mitarbeiter weitergegeben, als diesem bewusst ist. Einige Phrasen besagen nicht das, was man auf den ersten Blick vermuten würde. Doch welches sind die gängigsten Codes im Arbeitszeugnis, und woran lässt sich die persönliche Gesamtbeurteilung festmachen? Recruiter sollten die versteckten Botschaften und Noten kennen und die dahinterstehende Wahrheit entschlüsseln können.

    Arbeitszeugnis-Codes

    Mit einigen Beispielen lassen sich die Arbeitszeugnis-Codes am besten verdeutlichen:

    • Wer sehr genau arbeitete und seine Arbeit immer ordnungsgemäß erledigte, zeigte keine Eigeninitiative
    • Wer Anregungen gab, die auch geprüft wurden, hatte nur Vorschläge, die nicht umsetzbar waren. 
    • Wer meist nach eigener Planung arbeitete, ignorierte die Anweisungen der Führungskräfte.
    • Wer stets pünktlich war, war nicht zu Überstunden bereit. 
    • Wer tüchtig war und seine Meinung vertreten konnte, war nicht kritikfähig
    • Wer stets mit Interesse bei der Sache war, hatte letztlich keinen Erfolg.
    • Wer die eigenen Standpunkte selbstbewusst vertrat, war arrogant und anmaßend.
    • Wer ein gutes Einfühlungsvermögen in Belangen hatte, die Kollegen betrafen, widmete sich mehr den zwischenmenschlichen Kontakten als der eigentlichen Arbeit

    Noten für die Gesamtbeurteilung

    Wie schaut es mit der Beurteilung insgesamt aus? Ähnlich dem Lehrer in der Schule vergibt auch der Vorgesetzte im Dienstzeugnis Noten

    • 1 – stets zu unserer vollsten Zufriedenheit
    • 2 – zu unserer vollsten Zufriedenheit
    • 3 – zu unserer vollen Zufriedenheit
    • 4 – zu unserer Zufriedenheit
    • 5 – insgesamt / im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit

    Hand aufs Herz: Denken Sie mittlerweile auch schon darüber nach, sich die eigenen Arbeitszeugnisse noch einmal genauer anzusehen? Zumindest ist es gut, sich dieser verschlüsselten Botschaften bewusst zu sein

    Fazit

    Vor allem qualifizierte Arbeitszeugnisse helfen bei der Besetzung offener Stellen. Mit objektiven Fakten können Personaler vor dem Bewerbungsgespräch überprüfen, ob Bewerber die fachlichen Anforderungen erfüllen. Die subjektiven Bewertungen helfen bei der Einschätzung, ob ein Kandidat der ausgeschriebenen Position auch persönlich gewachsen sein würde. Grundsätzlich gilt: Sich nicht von wohlklingenden Formulierungen blenden lassen, sondern stets ihrer wahren Bedeutung auf den Grund gehen!

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